Idole
(A.J. Weigoni / Haimo Hieronymus)
Begann die Trilogie von A.J. Weigoni und Haimo Hieronymus mit einer Kombination aus Texten und Holzschnitten, einer der bekanntesten und ältesten Hochdrucktechniken, wurde diese Vermengung von Gedicht und Bildgewebe bei »Faszikel« mit der Tiefdrucktechnik der Radierung fortgesetzt, Hier in Kombination aus durchscheinenden Papieren und Texten, auf Lasuren mit Schellack und warm leuchtenden Holzextrakten, so bildet »Idole« mit seinen speziellen Leimformdrucken eine technische Neuerung und gleichzeitig Klammer, denn hier werden Elemente des Hoch? und des Tiefdrucks kombiniert. Als Ergebnis zeigt sich ein fast gezeichnet wirkendes Bild. Die acht Grafiken beschäftigen sich mit der möglichsten Reduktion von Körpern, von Torsi, auf ein Spiel von Formideen mit den scheinbaren Ungleichgewichten zwischen Linie und Fläche, Proportion, den Illusionen von Unzulänglichkeit menschlicher Erscheinung. Trotzdem fühlt man sehend einen sehnsüchtigen Drang zur Harmonie, ja zum Schönen im klassischen Sinn. Einmal angeschaut, wirkt ein Bild von ihm wie ein Angelhaken im seelischen Bildarchiv. Diese Grafiken zeigen sich so letztlich als fast hymnische Liebeserklärung an die vor allem weibliche Schönheit jenseits der einzelnen Frau. Haimo Hieronymus und A.J. Weigoni erkunden die Möglichkeiten der Linie zwischen Schrift und Zeichnung, der Schnittstelle zwischen Kunst und Sprache. In mehreren Ausstellungen haben sie die Verwendung von malerischen und sprachlichen Zeichen als Elementen der Bildkomposition oder die Vereinnahmung der Sprachzeichen durch die Malerei vorgeführt. Ein Bild beschreiben heißt für diese Artisten auch, es mit Schrift übermalen. Die Beschreibung übersetzt es in ein anderes Medium. Ein Bild stellt das andere in Frage. Eine Schicht löscht jeweils die vorige aus oder ab, und die Optiken/ Perspektiven wechseln. Haimo Hieronymus glaubt, daß großer Kunst eine tiefe Ordnung zugrunde liegt, daß sie das Faktische übersetzt und neu strukturiert, sie wieder auf gewalttätige oder untergründige Art und Weise auf an das Nervensystem loslässt. Jedes Bild ist ein ironisches Such? und Rätselbild, jedes handelt von der Auflösung und Zerlegung des Bildes, jedes dekonstruiert sein Motiv und feiert, verschmitzt grinsend, doch nur eines: den Triumph der Malerei. Bei Hieronymus durchlebt die Malerei ihre Auferstehung aus dem Geist der Reproduzierbarkeit. In der Verbindung aus Zeichnung und Malerei findet er das Potenzial, akkumuliert sich die benötigte Kraft, das Plus an empfundener Intensität aufzunehmen und in Bildsprache umzuwandeln, das sein leidenschaftliches Verhältnis zur Vorlage und seiner Umwelt bestimmt. Die Deck?Schutzblätter der Künstlerbücher von Haimo Hieronymus spiegeln den Inhalt wider. Der Leser, Betrachter kann so erahnen, was zu erwarten ist. Ein Bild ist ein eigenständiger Informationsträger. Text und Bild ergeben ein sich gegenseitig unterstützendes Gefüge, sie können die jeweils andere Bedeutung beeinflussen und bleiben trotzdem eigenständig verständlich. Genauso wenig, wie alle Schriftteile sofort ersichtlich sind, erscheinen die diffizilen Strukturen der Grafik auf den ersten Blick lesbar, erst das nähere Betrachten, je eingehender, desto besser ? legt geradezu schichtweise die Bild? und Textinformationen frei. Die Sehgewohnheiten verstellen hier oft den Blick für die eigentlichen Informationen. Grafiken entwickeln ihre eigenen Spielregeln des Sehens. Jedes Künstlerbuch verlangt in seiner Möglichkeit des Übersetzenden als Verständnis eine eigene Metasprache. Während man Zeichnungen vor allem mit dem Strich assoziiert, hört man hier, bei seinen sehr körperlichen Holzschnitten, fast die Geräusche der Sägen und der Beitel, hört das Kratzen und Splittern und Ritzen während ihrer Herstellung. Das Gewachsene des Holzes wurde zerstört, dem Material brachial Gewalt angetan. Und dachte man bei Haimo Hieronymus Malerei, nur mit allergrößter Anstrengung sei zuverhindern, daß der Blick abperlt, hat man nun den Eindruck, man bleibt hängen in den vehementen Schnitten, den rissigen Rändern und den Spalten. Das Buch wurde einfarbig, meist neutralschwarz mit Kupfertiefdruckfarbe auf Kupfertiefdruckbütten von Hahnemühle gedruckt. Die Farbe wurde mit etwas Leinöl geschmeidiger gemacht und zum Teil mit weiteren Pigmenten versetzt. Nach Druck der Seiten im Verbund zu einem Buchblock, wurden die Seiten zunächst mit Tusche und Feder nachbearbeitet, um bestimmte Kontrasteffekte zu erzielen. Weitere Arbeitsschritte ergaben sich durch den ergänzenden Einsatz von Holzextrakten und Schellack, welcher in je vier hauchdünnen Schichten, um die Flexibilität der Einzelseiten zu gewährleisten, aufgetragen wurde. So ergab sich letztlich ein Farbspiel im Orangebereich, kontrastiv zu den satten Tönen der Radierung und Tusche gesetzt. Die Farbe gibt diesen Bildern nichts und nimmt ihnen nichts; ein Plus oder Minus an dem, was man ?Schönheit? nennen könnte, ist von keinem Belang für diese Bilder; sie wirken durch ihren Witz, ihre Einfälle, ihren Sarkasmus und vor allem durch ihren Ernst. Die Bücher sind vernäht und gebunden worden. Die Umschlagarbeit ist ebenfalls eine nachträglich mit Holzextrakt und Schellack überarbeitete Radierung, diese mußte zum Binden weich gehalten werden, damit sie an den Kanten und Ecken umgeschlagen werden konnte. Puristen nehmen A.J. Weigoni und Haimo Hieronymus diese Grenzüberschreitungen übel, weil diese Form von "Interdisziplinarität" nicht der Theoriebefriedigung, sondern der lustvollen Verblüffung dient. Wirtschaftlich gesehen ist Lyrik Unsinn, aber Betriebswirtschaft ist im Leben eben nicht alles. Lyrik wäre nach allen ökonomischen Gesichtspunkten schon immer zum Aussterben verurteilt gewesen, und trotzdem hält sie sich nach wie vor, notfalls eben in der Form der Samisdat. Haimo Hieronymus und A.J. Weigoni gehen bei dieser Trilogie vom Virtuellen ins Materielle und zielen auf ein älteres Speichermedium, das mittels neuer Medien hergestellt wird und mit analogen Medien zu gebundener Form findet. Sie schlagen mit dem Projekt »Idole« einen Steg zwischen den Künsten (Druckgrafik / Poesie). Die Entstehung einer Einheit von Schrift und Bild untersuchen Haimo Hieronymus und A.J. Weigoni im Medium des Computers und setzen sie im Neheimer Atelier um. Die digitale Manufaktur produziert in diesem Fall ein »Idol«. Matthias Hagedorn Das Künstlerbuch »Idole« wird zwischen dem 11. - 13. Mai 2007 auf der internationalen Kunstmesse Huntenkunst im niederländischen Doetinchem vorgestellt. Weitere Termine: Mainzer Minipressen-Messe, vom 17. - 20. Mai 2007. Kunstverein Emmerich, 23. Mai, 3. Juni 2007 Elektronorma, Werkstattgalerie Der Bogen, Arnsberg, 3. Juni 2007 Am 18. Januar 2008 in der Galerie Andreas Brüning / Josephinenstr. 15 / Martin-Luther-Platz / D ? 40212 Düsseldorf Die Künstlerbücher »Unbehaust«, »Faszikel« und »Idole« sind erhältlich über die Werkstattgalerie Der Bogen, Tel. 02932 24575
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