Zwei Städte Aus Der Chronik Von Hartmann Schedel
(UM)
Zu Beginn des 14. Jahrhunderts waren die Krakauer Bürger die Anführer einer mächtigen Rebellion, die gegen den damaligen Herrscher Ladislaus Ellenlang gerichtet war. Um künftig ähnliche Überraschungen zu vermeiden, gründete 1335 Ellenlangs Nachfolger, König Kasimir der Große, in einer geräumigen Weichselbiegung eine separate Stadt, die im Laufe der Zeit die Funktionen der Hauptstadt übernehmen sollte. So entstand der heutige Stadtteil Kazimierz. Eben an dieser Stelle wurde die Krakauer Akademie gegründet, eine Universität, die später im mittelalterlichen Europa große Berühmtheit erlangen sollte, hier wurden stattliche Kirchen erbaut, die mit ihrer prächtigen Einrichtung bis heute bewundert werden. Mit der Zeit ließ jedoch der Zorn des Herrschers auf Krakau nach, zum anderen stellte sich heraus, dass ein erheblicher teil des Gebiets von Kazimierz durch Hochwasser gefährdet ist, was für die Entwicklung der Stadt ungünstig war und ihren weiteren Ausbau stocken ließ. Obwohl sich die Stadt beim ersten Anblick in der Weltchronik des Hartmann Schedel aus dem Jahre 1493 ähnlich prachtvoll wie Krakau präsentiert, war sie in Wirklichkeit viel bescheidener. Kazimierz wurde nicht zu Ende gebaut und blieb, wenn man es recht betrachtet, wenig attraktiv. Paradoxerweise hat gerade dies zu seinem heutigen Ruhm beigetragen: Als 1495 den Juden verboten wurde, im Stadtgebiet von Krakau zu wohnen, konnten sie sich in Kazimierz ungehindert niederlassen und besiedelten so einen beträchtlichen Teil dieser Stadt (etwa 1/5 seiner Fläche). Auf diese Weise entstand die einzige Stadt in der damaligen Welt, die durch Juden regiert wurde, nur und alleine dem König untertan war, über ihre eigene Selbstverwaltung verfügte und mit einer Mauer umschlossen war. Jahrhunderte lang blieb Kazimierz eine Stadt für sich und wurde erst gegen Ende des 18. Jh. an Krakau angeschlossen. Später ordneten die Österreicher den Abbruch der Mauer um die jüdische Stadt an und erlaubten den Juden, sich im gesamten Gebiet von Kazimierz, später auch in Krakau, niederzulassen. Bald zogen alle wohlhabenderen Juden ins Stadtzentrum um, vor Ort blieben nur die Armen, die später das Stadtbild prägten. Nicht weniger interessant entwickelte sich der christliche Teil von Kazimierz. Schon in der Zeit des Mittelalters und der Renaissance entstanden hier zahlreiche Werkstätten, wobei die Handwerker niedrigere Mieten als in Krakau zu zahlen hatten. Hier wirkte u.a. Bartolomeo Berrecci, der Schöpfer der Sigismundkapelle an der Wawelkathedrale sowie des prächtigen Arkadenhofs auf dem Wawelschloss. Im 17. Jahrhundert brach die Konjunktur zusammen. Zur Hauptstadt wurde Warschau, wodurch Krakau die lukrativen Aufträge des Königshofs verlor. Besonders schmerzhaft traf es dabei die Handwerker von Kazimierz. Später folgten die Schwedenkriege. Fremde Truppen durchzogen das polnische Territorium, wobei beide Kriegsparteien den verarmten Bürgern Kontributionen auferlegten. Als der Staat zusammenbrach und die Zeit der Teilung Polens kam, wurde Kazimierz mitsamt der ganzen Region ein Teil der österreichischen Monarchie. Von nun an war es ein provinzieller, heruntergekommener Vorort Krakaus, der an seinem schweren galizischen Geschick litt. Nach der kurzen Freiheitsperiode in den 20-er und 30-er Jahren des 20. Jh. kam die deutsche Besatzung mit der Tragödie des Holocausts. Das jüdische Gebiet von Kazimierz verödete. Seine Bewohner kamen in den deutschen Konzentrationslagern von P?aszów und Auschwitz ums Leben. Es begann die traurigste Periode in der Geschichte des Stadtteils. Zwar wurden die Gebäude von Kazimierz im Krieg nicht zerstört, doch hat die Stadt eine schmerzhafte Wunde erlitten: Sie verlor diejenigen, die seit Generationen ihr Teil gewesen waren und sie liebten. Heute ist Kazimierz wieder, wie vor Jahrhunderten, ein Treffpunkt verschiedener Kulturen und Völker. Die Krakauer haben beschlossen, diesen Ort der Geschichte ihrer Stadt sowie des nationalen und europäischen Erbes zu erhalten. Schwung undSorgfalt bei der Wiederherstellung des Glanzes von Kazimierz tragen dazu bei, dass der Stadtteil von Menschen aus der ganzen Welt besucht wird. Es scheint, als würde Kazimierz nicht unter Kasimir dem Großen und auch nicht unter der großzügigen Herrschaft der Jagiellonen, sondern gerade jetzt seine Blütezeit erleben. Nie zuvor stand es um Kazimierz so gut und nie zuvor wurde diese Stadt von so vielen bewundert.
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