Faszikel, Ein Künstlerbuch
(Haimo Hieronymus / A.J. Weigoni)
Als der einflussreiche deutscher Philosoph und klassischer Philologe Friedrich Nietzsche vor über einhundert Jahren den Tod Gottes proklamierte, erschuf er die Sinnleere des Lebens wie auch die Eröffnung ganz anderer Freiheitsräume, als wir bis dato kannten. Seitdem durchirrt die Menschheitdiese Räume und verliert sich. Im Zeitalter der kulturellen Globalisierung und Traditionsverschiebungen bleibt der Mensch als strauchelndes Wesen auf den Straßen der Zivilisationen zurück und sucht nach den Bruchstücken seiner selbst. Der allseits flexibele Mensch des 21. Jahrhunderts in seiner Geworfenheit ist das Thema des bildenden Künstlern Haimo Hieronymus. Das transitorische Element, dass seine Kunst durchzieht, macht sich schon bemerkbar bei der Präsentation. Etwas Improvisiertes lebt in der Syntax seiner Malerei, wir sehen das nicht, weil es sichtbar ist, es ist sichtbar, weil wir es sehen. Wie soll dem Umbruch von Sehgewohnheiten und der mangelnden Attraktivität der Kunst entgegengearbeitet werden? Ein bild beschreiben heißt auch, es mit Schrift zu übermalen. Die Beschreibung übersetzt es in ein anderes Medium. Die Struktur des Textes ist: Ein Bild stellt das andere in Frage. Eine Schicht löscht die vorige jeweils aus, und die Optiken wechseln. Dem bildenden Künstler Haimo Hieronymus und dem Schriftsteller A.J. Weigoni geht es in ihrer Arbeit um die Übersetzung in andere Medien, um die Bildung von Schichten, die simultan und konsekutiv, Gedichte sichtbar/hörbar machen ? wechselnde Optik, die schließlich auch den Betrachter heilsam in Frage stellt. Kann auf der Grundlage von Malerei als Spiegelbild des Ich Zukunftweisendes entstehen? Nach einem Kunststudium in Siegen (1990-96) ist Haimo Hieronymus seit 1992 auf Kunstmessen in Deutschland, Österreich, den Niederlanden und Frankreich vertreten. Seit 1993 tritt er in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen in Europa hervor. Seit 1995 ist Hieronymus Mitglied der Künstlergruppe "Der Bogen". Er betätigt sich künstlerisch vielfältig in der Malerei wie der Collagenproduktion, er erstellt Objekte, Radierungen und Zeichnungen. Den bekannten Formen und Motiven des Pop unterlegt Hieronymus einen pessimistischen Grundton: Die kräftig?bunten Farben der strahlenden Konsumwelt der einstigen Pop?Artisten sind einem gebrochen Farbspektrum gewichen, ihr Auftrag zeigt sich bewusst unvollkommen, die Botschaften bleiben skeptisch. Mit kleinen, meist schwarzweißen, Collagen liefert der Künstler schwarze Satire, ohne das vordergründig Lächerliche nutzen zu müssen. Die Bildfragmente ? assoziativ kommentiert durch Textfragmente ? drehen sich teilweise derart ineinander, dass die Grundmotivik fast ins Hintertreffen gerät. Hat der Betrachter den unmittelbaren Text-Bildeindruck verarbeitet, konkretisieren sich die Motivkonglomerate und erkennbar werden scheinbar bekannte Bilderwelten, quasi Ikonen des Alltags. Allerweltsfotographien werden Auslöser privatester Kontroversen, da die verwendeten Motive zerlegt und neu synthetisiert werden. Er erhebt die hybride Formensprache das Fragmentarische, Brüchige, Uneinheitliche und Diskontinuierliche zum Gestaltungsprinzip und korrespondiert mit dem psychosozialen Profil des ungebundenen, flexiblen Menschen, dessen Lebensplanung mehr denn je dem Zufall unterworfen ist. Wie viel Individuelles kann und soll Malerei in seine Arbeit einfließen lassen? Das Bild ist Materie, kein Anschauungsmaterial. Material, das zerstört werden kann, um es neu zu fügen, andere Gedanken zu formulieren, neue Zusammenhänge zu erschließen. Hieronymus repräsentiert im den Wert des Authentischen und differenziert klar nach dem. was anwesend und was anschaulich ist. Man erkennt man die Schrift erst durch das Licht. Andererseits ist Licht, das nicht irgendetwas beleuchtet, gar nicht sichtbar. Unser Visualisierungssystem benutzt Linien, um die Dinge zu begrenzen und zu zeigen, dass sie da sind. Aber wenn das System niccht weiss, was etwas ist, dann kann es das auch nicht erkennen und dir sagen, was es ist. Der Tastsinn des Beschauers wird angeregt, um wieder negiert zu werden. Dabei entsteht kein Schock, sondern ein subtiler Dialog zwischen Bild und Betrachter, zwischen Materie und Fügung. Anstatt eines beliebigen Dekors der Geschwindigkeit entsteht eine leise Schwingung, eine Vibration in der Oberfläche von Bild und Text. Diese fügt das Bild zusammen, nicht Linien oder Linienkonstrukte für sich: Sie sind eingebunden in eine Gesamtabsicht der Komposition. Aufgelöste Flächen in beständigem Schwingen, im Gespräch und Streit mit den Lineaturen. Rasterstrukturen übersetzt der Maler in farbsatte Bilder. Die dabei verwendete Lackfarbe lässt den Blick an der Oberfläche abperlen wie Regentropfen auf einer Motorhaube. Wann schlagen die Freiheit zwangloser Gestaltung und das inflationäre anything goes in desintegrierende Vereinzelung um? Haimo Hieronymus und A.J. Weigoni gehen bei diesem Projekt vom Virtuellen ins Materielle und zielen auf ein älteres Speichermedium, das mittels neuer Medien hergestellt wird und mit analogen Medien zur gebundenen Form findet. Die Entstehung einer Einheit von Schrift und Bild untersuchen Haimo Hieronymus und A.J. Weigoni im Medium des Computers und setzen sie im Neheimer Atelier um. Die "digitale Manufaktur" produziert ein »Faszikel«. Erhältlich über: 02932 / 24575
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