Wirtschaftlich gesehen ist Lyrik Unsinn, aber Betriebswirtschaft ist im 
 Leben eben nicht alles. Lyrik wäre nach allen ökonomischen Gesichtspunkten 
 schon immer zum Aussterben verurteilt gewesen, und trotzdem hält sie sich 
 nach wie vor, notfalls eben in der Form der Samisdat.   
 Was auf Anhieb verführt und besticht, ist seine Spreche: ihre Melodie, ihr 
 Rhythmus, ihr weiter Atem. Als "Sprechsteller" bricht A.J. Weigoni die 
 Sprache auf, dehnt sie ins Geräuschhafte und treibt sie durch seine 
 assoziative Fantasie ins Expressive. Dieser Lyriker lebt in osmotischer 
 Beziehung zur Sprache, die er als etwas Lebendiges und Tödliches  
 auffasst.   
 Das Sprachmaterial, mit dem er Umgang pflegt, dringt selbstverständlich 
 durch die Membran, wobei die Transformationsprozesse, denen er es 
 gleichzeitig unterzieht, besonders intensiv sind. Seine Lyrik lebt vom 
 Paradox der raumschaffenden Verdichtung, nicht als Formspiel, sondern als 
 formsprengende Lust an der Sprache. Es geht ihm in der Poesie primär um  
 eine Haltung, die Haltung des Dichters und die der Wörter. Seine Gedichte  
 leben von der Genauigkeit der Wahrnehmung, von der Macht der Evokation  
 und der Suggestion.   
 Als Denkfallensteller im Namen der Literatur bringt A.J. Weigoni seine 
 desillusionierende Poesie mit allegorischer Schärfe zum Ausdruck. Seine 
 Gedichte haben eine analytische Genauigkeit, die man sonst eher in Essays 
 findet; hier werden Formen des Denkens und der Poesie zusammengeführt. So 
 entstehen Gedichte als transitorische Momente, blitzartige images und 
 Augenblicksbilder der Erfahrung. Wie ein Arzt einen Brustkorb, so klopft 
 Weigoni die Worte auf ihren Ideologiecharakter ab, lenkt den Blick in die 
 existenziellen Tiefen der condition humaine. Die Sprache muss dann die 
 Wahrheit ausspucken, ob sie will oder nicht.   
 Die so genannten Neuen Medien sind ein genuiner Resonanzboden. 
 Auch Weigoni weiss um die negative Qualifikation, die eintritt, wenn  
 einer fähig ist, in Unerklärlichkeiten zu sein, in Zweifeln, ohne dem  
 ärgerlichen Ausstrecken nach Faktum und Vernunft. Er geht das subtile 
 Bündnis von Wort und Ton ein und erweist sich als 'VerDichter', der die 
 Sprache im Körper verankert und sich vehement dagegen verwahrt, dass man 
 seine lyrischen Konzentrate im Verstehensprozess wieder verdünnen muss.   
 Die fragilste der literarischen Formen gilt gemeinhin als deren teuerste, 
 und dies im zwiefachen Sinn: Die Randständigkeit der Lyrik abseits des 
 ökonomischen Gewinns steht in direkter Proportion zu der hohen symbolischen 
 Wertschätzung, mit welcher man sie bedenkt. Lyrik scheint ein Gut zu sein, 
 das zugleich sein eigener Marktpromoter ist. Wenn es gut geht, schafft sich 
 Lyrik eine Gesellschaft, die bereit ist, sie am Leben zu erhalten.   
 Poetisches Denken ist unrentabel, Poesie kein Produkt, das für einen Markt 
 erzeugt wird. Daher darf man von der Poesie nicht verlangen, dass sie sich 
 selbst kapitalisiert oder im kapitalistischen Sinn Profit bringt. Im 
 Gegenteil: Man muss sie davon befreien. Die Kunststiftung NRW fördert das 
 Projekt 'Dichterloh, ein Kompositum in vier Akten'.   
 Matthias Hagedorn     
 »Dichterloh« ist in der LYRIKEDITION 2000 erschienen und erhältlich über:  
[email protected]  Und als Hörbuch über: 
[email protected]  Zusätzliche Infos + Hörproben finden Sie unter: www.weigoni.de