Kalt
(Stefanie Jenneskens)
Mein Name ist Michael Turner und ich habe in meinem Leben so einiges gesehen und miterlebt. Ich bin mittlerweile 73 Jahre alt und meine Geschichte ist wohl die merkwürdigste und schlimmste, die ich kenne. Sehrwahrscheinlich, weil sie mir selbst widerfahren ist? Es war vor ungefähr sechs Jahren. Ein schöner, sonniger Tag und ich beschloss mit meiner Frau endlich das Wochenende in Cooperstown zu verbringen. Unsere Kinder waren schon lange außer Haus. Lydia sah man nur selten und Kevin wohnte nun in Buffalo und hatte selbst Kinder. Wie dem auch sei. Wir packten die Koffer und fuhren los. Auch ich freute mich endlich auf den Ausflug mit meiner Frau. Wir hatten schon lange nicht mehr so etwas unternommen. Dies war mein Hochzeitstaggeschenk für Emily. Ich war stolz, dass ich ihr so eine Freude bereiten würde. Sie war sehr überrascht. Wir lernten uns damals in Cooperstown kennen und lieben. Das waren noch Zeiten?Das alte Restaurant, in dem wir einander unsere Gefühle gestanden haben, das Hotel, in dem ich zwei lange Sommer in Folge übernachtete, nur um bei ihr zu sein? Natürlich erhoffte ich mir dadurch nicht nur etwas Entspannung. Wissen Sie, zwischen Emily und mir lief es zu der Zeit nicht so gut?wir waren Rentner und nervten zum guten Schluss einander mehr, als dass wir die Zeit genossen?ich verkroch mich in den Rosengarten und sie sich in der Bibliothek. Naja, wir packten unsere sieben Sachen und fuhren los. Die ganze Nacht lang fuhr ich und brauchte zwischendurch ein Pause. Oft kamen wir an einladenden Bistros vorbei, doch Emily wollte nicht aussteigen. So blieb auch dies an mir hängen, stieg aus, kaufte ?Proviant? und setzte mich mit gespielter guter Laune in den Wagen und wir fuhren weiter. Emily schwieg die ganze Zeit. Keinen Ton gab sie von sich?meine Mühe ein Gespräch anzufangen war vergebens. Doch endlich konnte ich Madame was recht machen. Ich hielt vor einer Tankstelle mit Imbiss. Sie stieg auch endlich aus und zu meiner Überraschung sprach sie. -Leider nur um mitzuteilen, dass sie auf Toilette müsse und Hunger hätte. War ich ein Dummkopf und wie gerne hätte ich mir in den Hintern getreten. Wie konnte ich nur denken, dass eine Autofahrt von sieben Stunden, gemeinsam, mit einander, unser Verhältnis verbessern könnte? Als sie wieder zurückkam war sie unverändert und würdigte mich keines Blickes. Setzte sich nur hin, lehnte ihren Kopf an und schaute aus dem geöffneten Fenster. Nun war ich in Rage, doch unterdrückt meine Wut, stieg aus und vertrat mir meine Füße, die, wie ich erst dann bemerkte, richtig taub waren vom vielen Sitzen. Schwang nach einer guten Viertelstunde erst wieder ins den Fahrersitz. Emily schlief bereits tief und fest, obwohl ich der Annahme war, dass sie das Klatschen der Tür geweckt haben musste?Ohne weiter auf sie einzugehen setzten wir den Weg in Stille fort. Erst als weitere Dreieinhalbstunden vergangen waren, bemerkte ich, dass mit Emily etwas nicht stimmte. Ich ergriff ihre Hand und erzählte ihr, dass ich mich an ihr schönes braunes kleid erinnerte?sie reagierte nicht. Sie riss weder die Hand weg, noch schenkte sie mir ein Lächeln?War sie überhaupt wach? Nachdem ich die Musik laut aufdreht und Emily sich immer noch nicht bewegte, hielt ich an. Jetzt wollte ich Klarheit. Was wollte sie? Scheidung? Ich rannte einmal um das Auto und riss beinahe die Autotür beim Öffnen des Wagens heraus. Emily rührte sich nicht. Auch nicht nach dem ich sie einmal leise und einmal laut weckte ? oder vielmehr versuchte zu wecken. Ihr ganzer Körper war kalt?erst jetzt bemerkte ich blaue Flecken an ihrem Hals?große Druckspuren. Sie wachte nicht auf?und erst jetzt war mir bewusst warum?Emily war tot! Ich fuhr die ganze Zeit, seit dieser letzten Rast mit meiner toten Frau?und ich habe es nicht mal bemerkt?
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